Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen
So könnte fast jeder Beitrag in der Rubrik „Alltag“ betitelt sein. Denn Schmerzen sind das, was jeden Tag am deutlichsten prägt. Zusammen mit der chronischen Erschöpfung.
Heute ist wieder so ein Tag. Kein Medikament hilft. Ich möchte schlafen, schlafen, schlafen. Und dann nie wieder oder aber ohne Schmerzen aufwachen.
Komplett verschwitzt aufgewacht, eng an mich geschmiegt fünf meiner Katzen im großen Schnurrkonzert. Statt Freude darüber: Tränen. Weil ich kaum einen Arm bewegen konnte, um eine Mieze zu kraulen. Weil ich mich weder drehen noch den Kopf beugen und meine Nase ergo nicht in eines der samtweichen, duftenden Felle drücken durfte. Weil jeder Millimeter meines Körpers so schmerzte, dass aufstehen nicht ging, so sehr ich es auch wollte und versuchte. Vom kleinen Finger und Zeh bis in die Schultern und Hüfte rasende Schmerzen – als sei ein Bagger über mich gerollt. Ich fühle mich wie zertrümmert. Bekomme auch kaum Luft. Seit Tagen pulsiert und zuckt wieder die rechte Schulter. Tut nicht weh – ist aber extrem unangenehm. Man sieht, wie sie sich autonom bewegt. Die Nerven spinnen. Die Muskeln krampfen. Fast überall. Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen.
Und meine Gedanken?
Angst um meinen Körper. Was soll nur werden? Was, wenn die nächsten sechs Monate so verlaufen wie die letzten sechs? Dann bin ich an Weihnachten ein kompletter Pflegefall.
Angst um meine finanzielle Existenz. Wovon soll ich künftig leben? Wie je wieder arbeiten, wenn das Ehlers-Danlos-Syndrom ja fortschreitet und mich peu à peu rundum demontiert? Rentenantrag bei EDS dauert Jahre, ein Kampf mit Hilfe von Anwälten. Und würde ich sie je bekommen, bekäme ich bei voller Erwerbsminderung deutlich weniger als Hartz IV. Das zu klären und mir mitzuteilen – da war die DRV ganz schnell. Dazu muss man nichts mehr sagen. Abgesehen davon:Ich will nicht mit 50 in Rente gehen. Allein die Vorstellung ist schrecklich. Ich will wieder etwas tun. Schreiben, fotografieren, Tieren helfen. Ich vermisse das so. Aber es geht nicht. Ich verzweifle.
Angst um meine Katzen. Wie soll ich meine geliebten Tiger weiterhin versorgen, wo es doch schon einem Marathon gleicht, die Futterschüsseln zu spülen und frisch zu füllen? Wie den chronisch kranken Samtpfoten ihre Medikamente geben, wo ich schon jetzt kaum noch eine Katze hochheben oder mich zu ihr bücken kann?
Über eine Stunde hat es gedauert, bis ich die körperlichen Qualen ignorieren, das Kopfkino bändigen und aus dem Bett kriechen konnte. Zuerst ins Bad. Dann in die Küche, wo im Eck neben dem Herd die große weiße Box mit meinen Medikamenten steht. 40 Tropfen Novalminsulfamon genommen und dabei auf den sattgrünen Hügel geschaut, auf dem in der heutigen Frühlingssonne der steinerne Aussichtsturm thront. Erschöpft auf einen Stuhl gesunken. Gewartet. Gedacht, dass ich nie wieder auf diesen Turm werde steigen und den Schwarzwald würde von oben sehen können. Realisiert, dass die Schmerzen heute bleiben. Keine Wirkung der Medikamente – außer Schwindel. Dabei vertrage ich Novalgin normalerweise sehr gut. Als einziges Schmerzmittel überhaupt hilft es meist.
Trotzt allem alle Katzen versorgt, den kranken ihre Tabletten und Spritzen gegeben, mit den beiden Asthmatigern inhaliert. Danach erschöpft, dass ich wieder ins Bett hätte gehen müssen. Die Schmerzen haben mich davon abgehalten. Ich hätte keine Ruhe und Linderung gefunden.
Unterer Rücken, Hüfte und beide Knie bringen mich heute um. Jeder Schritt eine Qual. Und seit ich nach dem Röntgen weiß, wie kaputt die Knie wirklich sind (nein, es ist weder subjektiv noch hat das jeder), seit ich beim Probieren sämtlicher Bandagen erfahren habe, dass diese aufgrund der springenden Sehnen und beidseitigen Kniescheibenverschiebung die Schmerzen nur schlimmer machen, habe ich auch die Hoffnung aufgegeben, dass das je wieder weniger weh tun könnte. Egal ob liegen, sitzen, gehen: Ich möchte nur noch wimmern und schreien.
Also zwei Stunden nach Novalgin noch Tilidin genommen. Ich sitze noch immer auf dem Küchenstuhl, die Rückenbandage um. Lege mit Kapseln das Wort HELP auf dem Küchentisch und warte. Darauf, dass die Schmerzen wenigstens ein ganz kleines Bisschen nachlassen und ich mich wieder wie ein Mensch fühle. Oder zumindest in diese Richtung denken kann … Und wenn’s nur für eine Stunde ist. Help!